12. NOVEMBER 2024
Bisher nur 40 Exemplare in ganz Deutschland aufgefunden
Der Gewinner-Pilz besticht durch sein leuchtendes, violettes Aussehen und einen korallenähnlichen Wuchs. In Deutschland aber ist die Wiesenkoralle (Clavaria zollingeri agg.) eine wahre Rarität: Es sind lediglich etwa 40 Fundorte der amethystfarbenen Wiesenkoralle bekannt. In Niedersachsen gibt es bisher noch keine Fundmeldungen – ein Grund mehr hier die Augen offen zu halten und den Pilz des Jahres 2025 zu entdecken.
Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie hat ihn zum Pilz des Jahres gekürt, um auf die Gefährdung unserer Artenvielfalt durch intensive Landnutzung aufmerksam zu machen.
Wiesenkoralle ist Anzeiger für artenreiches Grünland
Der Lebensraum von Arten wie der amethystfarbenen Wiesenkoralle hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Wiesen waren ursprünglich ein Farbenmeer voller Leben. Bevor der Mensch sesshaft wurde, gab es sie nur dort, wo große Tiere grasten. Mit den ersten Siedlungen kamen weitere Wiesen und Äcker hinzu. So wurden die Wiesen zunächst immer vielfältiger. Seit dem 18. Jahrhundert aber geht diese Vielfalt wieder stark zurück. Gründe dafür sind vor allem Pestizide, Kunstdünger und Gülle. Die Folge: Hohe Nährstoffeinträge und nur noch wenige nährstoffarme Gebiete.
Artenvielfalt durch Nährstoffarmut
Magere Wiesen aber sind in der Regel artenreich und bunt. Es sind die sogenannten Saftlingswiesen. Sie heißen so, weil es hier viele verschiedene Pilze gibt: Saftlinge, Rötlinge, Wiesenritterlinge, Erdzungen, Wiesenkorallen und Wiesenkeulchen.
Doch unsere Wiesen werden immer stärker gedüngt und öfter gemäht. Das Gras wird als Silage konserviert. Durch das große Nährstoffangebot setzen sich einige sehr wuchskräftige Arten durch und verdrängen die anderen. Außerdem vernichten einige der ausgebrachten Gifte alle zweikeimblättrigen Pflanzen, also all die Kräuter, die das Vieh vital und gesund halten und den Pilzen ein vielfältiges Angebot für das Zusammenleben (Mykorrhiza) oder Nahrung zum Zersetzen (Saprobionten) bieten. Auch für die Tierwelt hat dies Folgen.
Schwer zu entdecken
Die ca. 2–8 cm großen Fruchtkörper der amethystfarbenen Wiesenkoralle wachsen meist verborgen zwischen den Gräsern und Kräutern. Sie gehen eine Lebensgemeinschaft (Mykorrhiza) mit krautigen Pflanzen oder Moosen ein. Sie sind wahre Spezialisten, die ihre Pflanzenpartner bei der Besiedelung nährstoffarmer Böden unterstützen. Am ehesten zu finden sind sie in alten, etablierten Biotopen, neben mageren Wiesen auch in alten Parkrasen, Schlehengebüschen und Eschenwäldern.
4. OKTOBER 2024
Pilze/Naturschutz
Pilzexpertin Dr. Rita Lüder klärt über Regeln und Mythen auf
Wenn die Temperaturen bei 20 bis 25 Grad liegen, die Luftfeuchtigkeit zunimmt und es zu Regenschauern und Gewittern kommt, sprießen nach etwa zwei bis drei Tagen, vor allem im Spätsommer und Herbst, die Pilze aus den Böden. Was es zu beachten gilt, wenn man im Wald nach den Vitamin D liefernden Leckerbissen sucht, weiß die Pilzsachverständige Dr. Rita Lüder. Sie sitzt nicht nur im Bundesfachausschuss für Mykologie beim NABU, sondern ist zudem Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM).
Empfehlung: Nur Röhrlinge sammeln!
„Grundsätzlich sind Anfänger*innen auf der sicheren Seite, wenn sie sich auf das Sammeln von Röhrlingen beschränken. Denn
in unseren Gefilden gibt es keine Pilze dieser Art, die tödlich sind“, rät die Mykologin. Röhrlinge haben ihren Namen aufgrund der Röhren, die sich unter ihrem Schirm befinden. Die Hutunterseite
sieht so ähnlich aus wie ein Schwamm. Die Marone ist beispielsweise ein Röhrling, der wegen seiner eindeutigen Merkmale - brauner Hut von oben und gelber Schwamm von unten – nur schwer mit
anderen Pilzen, die giftig oder nicht bekömmlich sind, zu verwechseln ist.
Lediglich ein Gallenröhrling könnte fälschlicherweise für eine Marone gehalten werden. Dieser hat jedoch im jungen Alter einen weißen und im älteren Stadium einen rot-bräunlichen Schwamm. Dr. Lüder kann beruhigen: „Wenn man auch nur einen kleinen Gallenröhrling im Essen hat, schmeckt man das sofort. Er verdirbt mit seinem bitteren Geschmack die ganze Mahlzeit und man kann die komplette Pilzpfanne wegwerfen.“ Daneben gibt es unter den Röhrlingen natürlich noch weitere bitter schmeckende Pilze oder solche, die gar Verdauungsprobleme und Übelkeit auslösen. Darunter fällt der Satansröhrling. Durch seinen hellen Hut sowie seinen roten Schwamm und Stiel hebt sich dieser jedoch optisch stark von bekömmlichen Röhrlingen, wie der Marone, ab.
Pilzsammeln – Sechs Regeln
Nicht nur zur eigenen Sicherheit, sondern auch zum Schutz der Natur sind bei der Pilzsuche dringend die folgenden sechs Regeln einzuhalten:
„Angesichts der Sammelkolonnen, die aus kommerziellen Beweggründen unterwegs sind und massenweise Steinpilze aus den Wäldern tragen, ohne jegliche Rücksicht auf den Wald, die Pilze und andere Lebewesen zu nehmen, ist diese gesetzliche Regelung sicherlich sinnvoll“, findet Dr. Rita Lüder. Dennoch weist sie auf eine gewisse Absurdität des Gesetzes hin: „Das ist so, als gäbe es ein Verbot, Äpfel zu pflücken und zu essen, während der Baum gefällt werden darf.“ In dieser Analogie steht der Apfel für den Fruchtkörper und der Baum für den tatsächlichen, unterirdischen Pilz, das verzweigte Myzel. „Es gibt Studien, die zeigen, dass das Absammeln des Fruchtkörpers kein Problem darstellt. Die eigentliche Krux liegt woanders: Vielmehr sollten die Menschen darauf achten, den Boden für den Pilz nicht zu zerstören, wie wir es aktuell durch Bodenverdichtung sowie den Einsatz von Dünger und Pestiziden wie auch Giften zur Schädlingsbekämpfung tun. Auf Verdichtungen, hohe Stickstoffeinträge und Versauerung reagiert das feine Myzel im Boden nämlich sehr empfindlich“, fährt die NABU-Expertin fort.
Die Kraft der Pilze
„Pilze haben eine wichtige Funktion: Sie bringen das organische Material, d.h. die absterbenden Pflanzenwurzeln, wieder in den Kreislauf zurück. 95 Prozent aller Pflanzen leben mit Pilzen vernetzt zusammen. Sie informieren sich gegenseitig über gefährliche Situationen wie beispielsweise Schädlingsangriffe“, erklärt Dr. Lüders. Sie würden also den Einsatz von Pestiziden und Giften auf unseren Äckern unnötig machen. „Pilze waren schon immer da. Wenn man eine Hand voll intakten Boden nimmt, dann sind dort mehr Lebewesen enthalten als es Menschen auf der Erde gibt. Mengenmäßig sind die meisten Lebewesen davon Pilze. Vieles ist noch gar nicht erforscht und wir machen ein komplettes Ökosystem kaputt“, warnt die Expertin. Beim Thema Pilze geht es um viel mehr als die Frage „giftig oder nicht“: „Pilze sind ebenso wichtig wie Pflanzen und sie haben so viele Zukunftslösungen parat: Sie sanieren die Böden. Sie können Kunststoff, Styropor sowie Verpackungen ersetzen. Sie lassen sich zu Dämmmaterial oder sogar Tinte verarbeiten. Sie spielen als Antibiotika und Immunstabilisatoren eine zentrale Rolle in der Medizin und enthalten unzählige Vitalstoffe für unsere Gesundheit. Sie spenden beispielsweise Vitamin D, wenn wir im Herbst kaum noch welches durch die Sonneneinstrahlung auf unserer Haut aufnehmen“, weiß die Mykologin.
Anfassen erlaubt
Apropos Haut: Es gibt keine kontaktgiftigen Pilze in Europa. Die Pilzgifte können wir nicht über unsere Schleimhäute aufnehmen. Sorgenfrei können beim Pilzsammeln also alle Fruchtkörper angefasst und begutachtet werden – selbst der hochgiftige und tödliche Knollenblätterpilz. Eine „Pilzsaison“ gibt es übrigens nicht: „Man kann das ganze Jahr über Pilze sammeln. Ständig bilden Pilze neue Fruchtkörper aus. Man sieht lediglich einen Schwerpunkt im Herbst“, erklärt Dr. Lüder. Ein weit verbreiteter Irrglaube, der sich hartnäckig hält, ist die Annahme, dass Spuren von Schneckenfraß auf bekömmliche Pilze hinweisen. Die Pilz-Expertin betont: „Tiere haben ein anderes Verdauungssystem als wir Menschen. Nur, weil eine Schnecke rohe Maronen oder gar einen Knollenblätterpilz verträgt, trifft das nicht auf uns zu.“
Vergiftung: Was ist zu tun?
Wenn doch mal Vergiftungssymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen oder erschwertes Atmen verspürt werden, gilt es zunächst Ruhe zu bewahren. „Die Angst ist meist größer als die tatsächliche Gefahr. Trotzdem sollte auf eine Selbstdiagnose und Behandlungsversuche mit Hausmitteln verzichtet werden. Es gilt in jedem Fall Kontakt zu einem Arzt oder einer Giftnotrufzentrale aufzunehmen. Die Kontaktdaten sind auf der Website der DGfM zu finden, genauso wie Verhaltensregeln und weitere Sofortmaßnahmen.“ Für Niedersachsen ist der Giftnotruf unter der Notfallnummer 05 51 - 19 240 zu erreichen.
Weitere Informationen
Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V.
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