Gründungsgeschichte der AG Natur- und Artenschutz in der Agrarlandschaft

März 2020

 

Fünf Bündnispartner, u.a. der NABU Niedersachsen rufen die Bevölkerung zum Volksbegehren Artenvielfalt auf.  Das Artensterben ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit und betrifft zahlreiche Bereiche.

Die Unterschriftensammlung stößt auf eine riesige Resonanz. Bis zum Ende des Volksbegehrens am 13. November 2020 haben 162.530 Menschen mit ihrer Unterschrift für besseren Tier- und Pflanzenschutz gestimmt.

 

 

Das Volksbegehren endet mit dem Abschluss des „Niedersächsischen Weges“. Politik, Landwirtschaft und Naturverbände haben gemeinsam Schritte für mehr Natur-, Arten- und Gewässerschutz für diese Vereinbarung erarbeitet.


2021 und 2022

 

Die Pandemie lähmt das Land. Und wie steht es um den Niedersächsischen Weg?

Diese Frage stellten wir uns auch und hatten das Gefühl, das sich in dieser Angelegenheit im Landkreis nicht viel bewegt. Wir beschlossen Kontakt zu einigen Landwirten aufzunehmen, um zu erörtern, was wir gemeinsam im Rahmen des Niedersächsischen Weges tun können. 

 

Motto: Nicht übereinander reden – sondern miteinander!

Dazu nutzten wir unseren Kontakt zum Landwirt Helmut Bleckwenn, der 2020 während des Volksbegehrens entstanden war. Mit ihm vereinbarten wir ein Treffen mit Vertretern des BUND Hildesheim und einigen Landwirten aus dem Bereich Garmissen-Garbolzum, Ahstedt und Schellerten für den 27.10.2022 auf dem Hof Bleckwenn.

Diese Versammlung traf auf reges Interesse. Es wurden unterschiedliche Themen aus dem NDS Weg besprochen. Was ist leicht umzusetzen für die Landwirte? Wo hapert es im NDS Weg Gesetz?  Nur ein Beispiel: Strikte zeitliche Vorgaben zur Mahd bei widrigen Wetterbedingungen.

Nach der Diskussion begaben sich alle Teilnehmenden zu einer Begehung von Feldrändern. Es wurden erste Vorschläge für konkrete Naturschutzmaßnahmen unterbreitet.

 

Alle Teilnehmenden fanden dieses Treffen förderlich für die Kommunikation zwischen Landwirten und Naturschutzverbänden.


2023

 

Um diese positive Erfahrung und die daraus entstandenen Kontakte im Sinne des Niedersächsischen Weges zu nutzen und sich daraus ergebende Natur- bzw. Artenschutzmaßnahmen voranzutreiben, gründen wir Anfang 2023 die AG Natur- und Artenschutz in der Agrarlandschaft.

 

Mitglieder: Claudia Lippels, Dr. Johannes Laufer, Dieter Herrmann, Helmut Bleckwenn

 


Unsere Ziele

Foto: Claudia Lippels
Foto: Claudia Lippels

Claudia Lippels:

Ziel: Wir möchten in Kooperation mit Landwirten Projekte zum Natur- und Artenschutz in der Agrarlandschaft umsetzen.

Diese Arbeitsgruppe soll dazu ein unbürokratisches und niederschwelliges Angebot sein, durch praktische Maßnahmen einen Beitrag zum Natur- und Artenschutz zu leisten.

 

Wir möchten:

  • mit Landwirten in einen Dialog auf Augenhöhe treten
  • vorhandene Interessenkonflikte thematisieren und über mögliche Lösungen diskutieren
  • konkrete Ansprechpartner und eine  Gesprächsplattform für Fragen zum Naturschutz anbieten
  • artspezifische  Bestandsaufnahmen durchführen, die Rahmenbedingungen auf Flächen erfassen und Verbesserungspotenziale aufzeigen
  • gezielte Angebote zu Vogelschutzmaßnahmen machen
  • Beratung und Monitoring anbieten
  • bei stichprobenartigen Bestandsaufnahmen Impulse für praktischen Naturschutz geben
  • Info-Veranstaltungen durchführen

 

 

Da Vögel als Bioindikatoren den Zustand der Landschaft anzeigen und aufgrund der Zusammensetzung der derzeit Mitwirkenden dieser Arbeitsgruppe konzentrieren wir uns vorerst auf den Vogelschutz.

 

 


Bericht Dr. Johannes Laufer - November 2024

Bilanz zum Kiebitz als Vogel des Jahres 2024

Kiebitze auf dem Herbstzug im Verband mit Staren, Feldflur westlich Machtsum, im Hintergrund die Zuckerfabrik Clauen. Foto: Dieter Herrmann, Oktober 2023.
Kiebitze auf dem Herbstzug im Verband mit Staren, Feldflur westlich Machtsum, im Hintergrund die Zuckerfabrik Clauen. Foto: Dieter Herrmann, Oktober 2023.

„Der Kiebitz – Vogel des Jahres 2024. Eine Bilanz der Bestandsentwicklung und der Schutzmaßnahmen einer Initiative zur Kooperation mit Landwirten“

 

Vor etwa 40 Jahren bot sich im Spätherbst zur Zeit der Zuckerrübenernte das Bild großer Schwärme von vielen tausend Kiebitzen, die auf dem Zug in die Winterquartiere auf Äckern rasteten und „auftankten“. Derzeit ist es schon etwas Besonderes in unserer Region, eine größere Gruppe von deutlich mehr als 100 Kiebitzen zu sichten. Dies ist auch ein Indiz für den allgemeinen, auf etwa 80 Prozent geschätzten Rückgang dieses traditionellen Vogels der Agrarlandschaft in den letzten drei Jahrzehnten allein in Deutschland. In der Roten Liste für Niedersachsen wird der Kiebitz seit 2020 als ‚stark gefährdeter‘ Brutvogel geführt. Im Zuge des Verlusts von Flussauen und extensiv genutztem Weideland verbreitete sich die Art im Hildesheimer Raum seit dem 19. Jahrhundert zunehmend in der Lössbörde, vor allem im Bereich des Zuckerrübenanbaus. Doch inzwischen schrumpfte diese Ackerpopulation dramatisch auf kaum noch 50 Brutpaare. Zudem kamen in den letzten Jahren nur selten erfolgreiche Bruten zustande, um annähernd den Bestand der Vögel zu sichern.

 

Wenn die Kiebitze Anfang März aus West- oder Südwesteuropa zurückkehren, beginnen sie alsbald mit der Brut, bevorzugt auf noch kahlen oder vegetationsarmen Äckern. Oftmals fallen die ersten Gelege der notwendigen Feldbestellung mit Zuckerrüben, Mais oder zu guter Letzt Kartoffeln zum Opfer. Im Jahr 2024 verzögerte jedoch die Nässe im Frühjahr diese Feldarbeiten bis weit in den April oder Mai, sodass bereits mehr Kiebitzküken als in den Jahren zuvor schlüpfen konnten. Allerdings gefährdet nicht nur die intensive, moderne Landwirtschaft die Kiebitze oder ihren Nachwuchs. Als Bodenbrüter sind sie darüber hinaus seit jeher vielen natürlichen Risiken ausgesetzt. Die in eine kleine Mulde auf den blanken Boden gelegten drei bis vier Eier, aber auch die Küken werden als Nestflüchter leicht zur Beute diverser Prädatoren wie Fuchs, Waschbär, Kolkrabe, gelegentlich auch Greifvögel oder den Weißstorch. Und schließlich können extreme Trockenheit oder Nässe dazu führen, dass die Küken kurz nach dem Schlüpfen verhungern. Zwar sind Kiebitze in der Lage, Verluste durch ein oder zwei Nachgelege in der Saison zu kompensieren. Doch zumeist fällt der Bruterfolg unter dem Strich viel zu gering aus.

 

Dank einer erfolgreichen Kooperation mit Landwirten aus Algermissen, Kemme, Machtsum und Dinklar gelang es in diesem Jahr, die letzten bedeutenden Brutvorkommen des Kiebitzes im Kreis Hildesheim so zu schützen, dass sich seit langem wieder eine größere Zahl von Küken bis zur Flugfähigkeit entwickelte. Diese Bilanz gibt auch den Aktiven der kleinen NABU-Gruppe zum Artenschutz in der Agrarlandschaft Hoffnung und Motivation für das weitere Engagement zum Schutz des Kiebitzes.